Ⅰ.Rueckblick auf Parsons'Gedanken
Die Beziehungen zwischen Individuum und Gesellschaft stellen stets eine grundlegende Frage in der soziologischen Theoriebildung dar.Sie bilden auch eine zentrale Frage für viele westliche und chinesische Philosophen und anderweitige Denker.In der einschlgigen soziologischen Diskussion der Gegenwart scheint es mir gelufig zu sein,dass man versucht,mit einigen zentralen Begriffen und theo-retischen Konzepten die Gedanken der Klassiker neu zu interpretieren oder in die moderne Fachsprache zu uebersetzen.Dabei schafft man es oft,die klassischen Ideen und Gedanken weiter zu entwickeln.In diesem Aufsatz behandle ich eben einen solchen Fall:Ich diskutiere nmlich die Behandlung der Frage ueber die Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft in der Systemtheorie von Niklas Luhmann.Für dieses Vorhaben scheint es mir zunchst und auch allein nötig zu sein,einen Rueckblick auf die einschlgigen Gedanken von Talcott Parsons zu werfen.Denn darauf baut sich die Theorie von Luhmann hauptsaechlich.
In der Theorie ueber soziale Systeme ist es Parsons gewesen,der zunaechst vorgeschlagen hat,die Gesellschaft als die Gesamtheit von verschiedenen Subsystemen zu sehen,die voneinander unabhngig sind.Da er die Gesellschaft so sieht,muss er dann das klassische soziologische Problem der Integrationlösen:[1]Wie koennen diese selbstaendigen Subsysteme eine Einheit bilden?
Parsons'Theorie wird nicht ohne Grund struktur-funktionalistische Theorie genannt.Er definiert Gesellschaft als“general action system”,also als das allgemeine Handlungssystem.Er meint ferner,dass es verschiedene andere Handlungssysteme-wie z.B.das Wirtschaftssystem,das Rechtssystem,das Erziehungssystem usw.-gibt,die zwar jeweils geschlossen operieren und daher voneinander unabhaengig sind,aber doch in Beziehungen zueinander stehen und somit Strukturen bilden .
Diese Systeme und die von ihnen gebildeten Strukturen erfüllen dann verschiedene Funktionen.Parsons hebt vier Funktionen hervor.Erstens Anpassung:Damit meint er,dass die Systeme Faehigkeit und Mittel besitzen müssen,um aus der Umwelt Ressourcen erschliessen zu koennen.Zweitens Zielverwirklichung:Das bedeutet,dass die Systeme die Sequenz der zu verwirklichenden Ziele bestimmen und die eigene Energie mobilisieren müssen,um die eigenen Ziele zu erreichen.Drittens Integration:Damit wird gemeint,dass jedes System die Teile,aus denen es besteht,in einer mehr oder weniger harmonischen Beziehung zusammenhalten muss,damit innerhalb des Systems keine Brüche und Spaltungen auftreten.Viertens Erhaltung der latenten Muster:Das heisst,dass es spezifische Mechanismen und Institutionen geben muss,die die grundlegenden Werte und Ideen der Gesellschaft pflegen und beibehalten .
Zugleich meint Parsons,dass die Gesellschaft vier Subsysteme bedarf,die diese Funktionen erfuellen können.Erstens sind es Verhaltensorganismen,die die Funktion der Anpassung uebernehmen.Zweitens braucht die Gesellschaft Persön-lichkeitssysteme,die Motivationen,Trieb und Ziele haben;die Zusammensetzung ihrer Ziele macht dann die Zielverwirklichung der Gesellschaft aus.Drittens braucht die Gesellschaft soziale Systeme,die aus Handlungseinheiten bestehen;diese Einheiten stehen in institutionalisierten Beziehungen zueinander und erfüllen dadurch die Integrationsfunktion der Gesellschaft.
Ferner beschreibt Parsons die Beziehung zwischen Kultur und Gesellschaft als Institutionalisierung,womit gemeint wird,dass kulturelle Werte und Ideen dazu dienen,die sozialen Systeme zu institutionalisieren.Die Beziehung zwischen sozialen Systemen und Persönlichkeitssystemen nennt er Internalisierung.Damit meint er,dass die Individuen die Normen,die in den Handlungssystemen gelten,verinnerlichen.Die Beziehung zwischen Persönlichkeitssystemen und organischen Systemen nennt er dann Lernen.Das heisst wiederum,dass die Organismen durch Aussenkontakte Sinn entstehen lassen,der der Reproduktion der Persönlichkeit dient[2].Weiterhin benutzt Parsons den Begriff Interpenetration,um die Bezie-hungen zwischen den Systemen allgemein zu beschreiben.Mit diesem Begriff meint Parsons,dass das System mit einem binaeren Schematismus operiert,das heisst,das System ueberprueft bei jeder Information aus der Umwelt,ob sie in die eigene Logik aufgenommen warden kann-z.B.überprueft das Wissenschaftssystem stets,ob eine Frage die Wahrheit/Unwahrheit betrifft,um zu entscheiden,ob es diese Frage aufnimmt und behandelt[3].
Aus dieser Zusammenfassung laesst sich ersehen,dass in Parsons'Systemtheorie Gesellschaft keine umfassende soziale Gemeinschaft,sondern eine Einheit des Orientiertseins trotz Differenzierung darstellt.Weiterhin sind für Parsons Individuen keine Teile des sozialen Systems,sondern sie stehen als unabhaengige Systeme ausserhalb von ihm.Gleichzeitig betont Parsons,dass Individuen Subsysteme im allgemeinen Handlungssystem darstellen.Als solche Subsysteme sind Individuen sicherlich vielen Einschraenkungen gegenueber gestellt.Aber trotzdem bilden sie keine Teile des Systems“Gesellschaft”.Das allgemeine Handlungssystem wird auch nur durch analytische Eigenschaften konstituiert;seine Einheit bildet sich aus Differenzierungen.Deshalb kann man behaupten,dass in Parsons'Augen Einheit Kompatibilitaet voraussetzt-z.B.kann ein Individuum nur in Wechselwirkungen mit kulturellen Werten eintreten und mit ihnen eine Einheit bilden,wenn es sich damit identifiziert .
So kann man behaupten,dass Interpenetration in Parsons'Theorie die Stimu-lierung der Umweltkomplexitaet-wobei Umwelt auch aus Systemen besteht-als Unsicherheit und Kontingenz für die Konstituierung eines anderen Systems bedeutet.Das System ist nicht identisch mit den Systemen,die seine Umwelt bilden[4].
[1] Department of Sociology,Peking University.